Wolf in Lodenau
Wie die Sächsische Zeitung bereits am 07.06.2016 berichtete, wurde am 03.06.2016 um die Mittagszeit auf dem Vorhof eines Grundstücks im Rothenburger O.L. Ortsteil Lodenau (Landkreis Görlitz) ein Wolf beobachtet, wie er die Schwarte (Fell) eines dort am selben Tag zerlegten Wildschweins in das angrenzende Waldstück verschleppte.
Das Landratsamt Görlitz und das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und –forschung in Deutschland wurden umgehend über die Sichtung informiert. Da der Wolf in diesem Fall dabei beobachtet wurde, wie er die kurzzeitig frei auf dem Grundstück liegenden Wildreste wegschleppte, ist davon auszugehen, dass er von diesen angelockt wurde. Um zu beobachten, ob es sich um eine einmalige Gegebenheit handelte oder ob der Wolf wiederholt das Grundstück aufsucht, wurde eine automatische Wildkamera (Fotofalle) im Grenzbereich zwischen Grundstück und Wald aufgestellt. Außerdem wurden bei der Inaugenscheinnahme vor Ort Haare an einem Zaun sichergestellt und zur genetischen Untersuchung eingeschickt.
Aufnahmen der Fotofalle aus der darauffolgenden Nacht (s. Foto), sowie die genetische Untersuchung der Haare haben die Erstannahme bestätigt, dass es sich um einen Wolf handelte. Die Untersuchung ergab den Nachweis eines männlichen Tieres, das keinem der bisher genetisch bekannten Rudel zugeordnet werden kann.
Seitdem lieferte die Fotofalle keine weiteren Aufnahmen eines Wolfes. Auch gab es bisher keine weiteren Sichtungsmeldungen von Wölfen aus diesem Bereich mehr.
Das Gebiet um Lodenau liegt im Grenzbereich von drei bekannten Wolfsterritorien: dem Daubitzer, dem Nieskyer und dem polnischen Ruszow Rudel. Neue Erkenntnisse hinsichtlich einer möglichen Neuetablierung in diesem Bereich könnten sich allerdings ergeben, wenn alle im letzten Monitoringjahr* (2015/2016) gesammelten Daten abschließend ausgewertet sind.
Hinweise aus der Bevölkerung sind sehr hilfreich zur Einschätzung des Vorkommens von Wölfen im Bereich Lodenau. Neben Sichtungsmeldungen sind auch zeitnahe Hinweise auf Losungen (Wolfskot), Spuren oder Risse, wenn möglich mit Fotos, interessant. Bitte melden Sie Hinweise zeitnah an das Landratsamt Görlitz (Tel. 03588 / 2233 3401, forstamt@kreis-gr.de), an das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und –forschung in Deutschland (Tel. 035727/ 57762, kontakt@lupus-institut.de) oder an das Kontaktbüro »Wolfsregion Lausitz« (Tel. 035772/ 46762, kontaktbuero@wolfsregion-lausitz.de).
Wölfe, die in Kulturlandschaften leben, können - auch wenn dies selten ist - durchaus am Tage in Ortsnähe gesehen werden, ähnlich wie dies von Füchsen, Rehen oder Wildschweinen bekannt ist. Dies gehört ebenso zum Repertoire des normalen Wildverhaltens, wie die Tatsache, dass Jungwölfe durch ihre Neugierde und Naivität bisweilen eine geringere Fluchtdistanz zu Menschen aufweisen als erwachsene Wölfe.
Dieses Verhalten macht die in der Kulturlandschaft lebenden Wölfe nicht gefährlicher als ihre Artgenossen, die in menschenleeren Gebieten leben oder die bejagt werden, wie auch Erfahrungen aus anderen Ländern belegen. Wichtig ist, dass die Wölfe keine direkten positiven Erfahrungen mit der Nähe von Menschen verknüpfen.
Was aus menschlicher Sicht als Abfall bewertet wird kann aus Sicht des Wolfes Futter sein und diesen anlocken. Grundsätzlich ist in Gebieten mit Wolfsvorkommen darauf zu achten, tierische Abfälle sowie größere Mengen von Speiseresten nicht im Freien liegenzulassen beziehungsweise zu lagern. Dies gilt besonders dann, wenn das Grundstück z.B. sehr nah am Wald liegt und keine geschlossene Abgrenzung zum Wald durch einen Zaun gegeben ist.
Aktuelle Verbreitung in Sachsen
Die Daten für das Monitoringjahr* 2015/2016 werden aktuell noch zusammenfassend ausgewertet. Der abschließende Stand zur Verbreitung von Wölfen in Sachsen für das Monitoringjahr 2015/16 wird deshalb erst im Sommer bzw. Frühherbst bekannt sein.
Im letzten Monitoringjahr 2014/2015* wurden in Sachsen zehn Wolfsrudel und ein territorialer Wolf (Hohwald) nachgewiesen. Im Laufe der letzten Monate konnten zwei neue Rudel bestätigt werden. Es handelt sich dabei um das Gohrischheide- und das Königshainer Berge Rudel. Damit gibt es nach aktuellem Kenntnisstand in Sachsen zwölf Wolfsrudel. Ob die territoriale Fähe im Hohwald-Territorium inzwischen einen Partner gefunden hat, ist noch nicht abschließend geklärt.
Zehn der derzeit bestätigten Wolfsterritorien liegen ganz im Freistaat Sachsen. Drei Territorien sind grenzübergreifend: zwei zu Brandenburg und ein weiteres zur Tschechischen Republik. Darüber hinaus haben drei Wolfsterritorien (Annaburger Heide, Ruszow und Zschorno) einen kleinen Teil ihres Gebiets auf sächsischer Seite. Da der größere Teil der Territorien in anderen Ländern liegt werden sie in den jeweiligen Nachbarländern mitgezählt.
In den Landkreisen Görlitz und Bautzen südlich der A4 gibt es weitere einzelne Nachweise und bestätigte Hinweise auf Wölfe. Dies betrifft die Bereiche Cunewalde, Löbau, Kottmar, Bernsdorf a.d. Eigen und Zittau. Im Rahmen des Monitorings wird hier weiterhin versucht den Status zu klären.
*Im Rahmen des Wolfsmonitorings werden die erhobenen Daten jährlich basierend auf dem Monitoringjahr, nicht anlehnend an das Kalenderjahr, zusammenfassend ausgewertet. Das Monitoringjahr läuft jeweils vom 01. Mai eines Jahres bis zum 30. April des darauffolgenden Jahres. Der Zeitabschnitt umfasst ein biologisches »Wolfsjahr«, von der Geburt der Welpen bis zum Ende ihres ersten Lebensjahres.
Tote Wölfe:
Im Jahr 2016 wurden bisher zwei Wölfe tot aufgefunden. Eine Wolfsfähe wurde am 13. Februar nahe Burghammer (LK Bautzen) tot gefunden. Es handelt sich um eine erwachsene Tochter des Milkeler Rudels. Das Tier war dem Wolfsmonitoring über Fotofallenaufnahmen bekannt. Es humpelte stark und wies ausgeprägte Räudesymptome auf. Die Untersuchung am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin ergab, dass eine Vorderpfote mehrfach gebrochen war. Durch die mit der Verletzung einhergehende Schwächung des Organismus wurde das Ausheilen der Räude wahrscheinlich behindert. Das Tier war zum Zeitpunkt des Todes stark abgemagert.
Ende Februar (28.02.) wurde auf der S94 bei Biehla (LK Bautzen) ein männlicher Welpe bei einem Verkehrsunfall getötet. Die Verwandtschaftsanalyse ergab, dass er aus dem Rosenthaler Rudel stammt.
Herdenschutz:
Im Jahr 2016 (Stand: 15.04.2016) gingen bislang insgesamt neun Meldungen zu Nutztierschäden beim sächsischen Wolfsmanagement ein. Davon konnte in fünf Fällen der Wolf als Verursacher festgestellt bzw. nicht ausgeschlossen werden. Dabei kamen 83 Nutztiere zu Schaden. Es handelte sich um 70 Schafe, 3 Ziegen, 8 Stück Damwild und 2 Mufflons.
Am 22.02.2016 berichtete das Kontaktbüro über einen Wolfsangriff auf eine Schafsherde am Rand der Königsbrücker Heide. Die abschließende Schadensbilanz ergab 67 tote Schafe und 3 tote Ziegen, sowie drei vermisste Tiere. 61 Tiere konnten lebend wieder eingefangen werden.
Die betroffene Herde wird seit einigen Jahren in der Königsbrücker Heide zur Heidepflege eingesetzt und dabei an verschiedenen Standorten jeweils in einer dem Mindestschutz entsprechenden Koppel (Elektrozäune) gehalten. Bis zu diesem Vorfall gab es keine Übergriffe der im Naturschutzgebiet lebenden Wölfe auf diese Herde. Anhand der vorgefundenen Indizien konnte festgestellt werden, dass der dem Mindestschutz entsprechende Zaun an zwei Stellen umgefallen war und die Herde aus dem Zaun ausbrechen konnte. Die toten Tiere lagen fast ausschließlich außerhalb der Koppel. Die Ursache für den umgefallenen Zaun konnte nicht sicher festgestellt werden.
Es handelt sich bei diesem Vorfall um den größten Nutztierschaden, den es bislang bei einem Wolfsübergriff in Sachsen gab. Übergriffe in diesem Umfang sind zwar selten, aber nicht außergewöhnlich. Das Phänomen von Mehrfachtötungen (surplus killing), ohne dass alle getöteten Tiere gefressen werden, ist von Wölfen und anderen Beutegreifern, wie z.B. Marder oder Fuchs im Hühnerstall bzw. auch von Hunden, bekannt. Mit einem „Blutrausch“ hat dieses Verhalten nichts zu tun.
Mehrfachtötungen treten fast ausschließlich unter „künstlichen“ Bedingungen auf. Bei der Jagd auf freilebende Beutetiere haben Beutegreifer kaum Gelegenheit mehr als ein Tier zu töten - aufgrund der Feinvermeidungsstrategien der Beutetiere. Bei Übergriffen auf Nutztiere, welche meist in hoher Dichte auf relativ kleinem und zudem begrenztem Raum stehen, und bei welchen das Fluchtverhalten durch die Domestikation deutlich abgeschwächt ist, bietet sich den Beutegreifern ein Überangebot von verfügbarer Nahrung. Diese günstige Gelegenheit veranlasst dazu, mehr Tiere zu töten, als sogleich verzehrt werden können. Die Beutegreifer würden ggf. zu einem anderen Zeitpunkt zum angelegten „Vorrat“ zurückkehren bzw. einen Teil der Nahrung zur späteren Nutzung vergraben. Dieses Verhalten wird durch die Entsorgung der Kadaver unterbunden. Wölfe sollen sich nicht an Nutztiere als Beute gewöhnen.
Seit dem 01.03.2016 steht Tierhaltern in Sachsen neben dem bisherigen Sachbearbeiter für Präventionsberatung vom Staatsbetrieb Sachsenforst, Herrn Klingenberger, ein weiterer Ansprechpartner zur Verfügung. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hat zusätzlich Herrn Ulrich Klausnitzer mit der Beratung zum Herdenschutz beauftragt. Herr Klausnitzer ist Diplom-Agraringenieur und Inhaber des Fachbüros für Naturschutz und Landschaftsökologie in Roßwein OT Haßlau.
Dabei sind die Zuständigkeiten regional wie folgt aufgeteilt:
Herr Klausnitzer, Tel. 0151 / 50551465
Landkreise Nordsachsen, Leipzig, Mittelsachsen, Zwickau, Erzgebirge und Vogtland, sowie die Städte Leipzig und Chemnitz
Herr Klingenberger, Tel. 0172 / 3757602
Landkreise Görlitz, Bautzen, Meißen und Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, sowie die Stadt Dresden
*Im Rahmen des Wolfsmonitorings werden die erhobenen Daten jährlich basierend auf dem Monitoringjahr, nicht anlehnend an das Kalenderjahr, zusammenfassend ausgewertet. Das Monitoringjahr läuft jeweils vom 01. Mai eines Jahres bis zum 30. April des darauffolgenden Jahres. Der Zeitabschnitt umfasst ein biologisches »Wolfsjahr«, von der Geburt der Welpen bis zum Ende ihres ersten Lebensjahres.
Abkürzungen:
LK – Landkreis
RL NE – Richtlinie »Natürliches Erbe«