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Telemetrie / Besenderung

Die Radiotelemetrie ist eine in der Wildtierforschung weit gebräuchliche wissenschaftliche Methode zur Gewinnung von Erkenntnissen über Raum-Nutzungsmuster, räumliche Ausbreitung und Lebensweise freilebender Tiere.

Dem Wolf wird unter Betäubung ein Halsbandsender angebracht. So kann der Aufenthaltsort des Tieres aus der Entfernung lokalisiert werden, ohne es durch direktes Aufsuchen/Sichtkontakt zu stören. In Sachsen dient die Methode unter anderem zur Ermittlung der Größe, Lage sowie der räumlich-zeitlichen Nutzung eines Wolfsterritoriums bzw. zu dem Abwanderungsverhalten junger Tiere. Sie liefert außerdem Erkenntnisse zu Aktivitäts- und Ruhephasen des besenderten Tieres und ermöglicht einen besseren Einblick in dessen Ernährung, da die Reste gerissener Beutetiere gezielter nachgesucht und zeitnaher dokumentiert werden können.

Halsbandsender können aber nicht nur für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, sondern sind auch nützlich bei Managementmaßnahmen, beispielsweise bei der Überwachung eines Tieres mit auffälligem Verhalten.

Der Einsatz der Radiotelemetrie ist eine wertvolle Ergänzung zum herkömmlichen Wolfsmonitoring, besonders in Gebieten wie der sächsischen Oberlausitz, in denen der Wolfsbestand sehr dicht ist. Im Jahr 2019 wurde im Freistaat Sachsen ein mehrjähriges Landesprogramm zur Besenderung von Wölfen aufgelegt. Auftraggeber sind das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL). Mehr Informationen zu den Wölfen, die im Rahmen dieses Programms bereits mit Halsbandsendern versehen wurden finden Sie unter:

Wolfsgebiet Sachsen – Landesprogramm Besenderung 

Im Folgenden finden Sie tiefergehende Informationen zur Methodik und zu vergangenen Besenderungsprogrammen.

Methodik

Der Wolf steht unter strengem Naturschutz, weshalb das Nachstellen und Fangen des Tieres verboten ist. Auch bedeuten das Fangen und Betäuben großen Stress für das Tier. Für das Fangenund die Besenderungvon Wölfen zu wissenschaftlichen Zwecken müssen demnach sowohl artenschutzrechtliche als auch tierschutzfachliche Genehmigungen vorliegen.

Um die Halsbandsenderanlegen zu können, müssen die Wölfe gefangen und vorübergehend betäubt werden. Dies ist kein leichtes Unterfangen, da Wölfe sehr vorsichtige Tiere sind, und es erfordert eine intensive Vorbereitung und Planung.

Die Fangzeit liegt in der Regel in den späten Wintermonaten bzw. im Frühjahr. Die Welpen des Vorjahres sind dann zum einen schon groß genug um ihnen einen Halsbandsender anzulegen und zum anderen sind die meisten von ihnen noch nicht abgewandert aber mobil im Elternterritorium unterwegs. Außerdem sind die Elterntiere in dieser Jahreszeit sehr intensiv beim Markieren ihres Territoriums aufgrund der Paarungs- und Wurfzeit.

Zum Einsatz kommen gepolsterte Fußfallen, sogenannte Soft Catch Traps, die das Tier an der Pfote festhalten aber nicht verletzen, sodass dieses wieder unbeschadet in die Natur entlassen werden kann. Diese Fußfallen wurden eigens für den unversehrten Fang von Tieren für Forschungsprojekte entwickelt und nach dem AIHTS zertifiziert (Agreement of International Humane Trapping Standards; dt.: Abkommen zu internationalen Standards für eine humane Fallenjagd).

Damit die Wölfe möglichst kurze Zeit in der Falle festgehalten werden, sind die Fallen mit Fallensendern versehen. Diese senden über das Mobilfunknetz ein Signal, sobald eine Falle ausgelöst wurde. Auf diese Weise können die Forscher sich umgehend auf den Weg zum Tier begeben, damit dieses schnell betäubt werden kann und der Stress für das Tier soweit wie möglich minimiert wird.

Wenn ein Wolf in die Falle gegangen ist, wird dieser betäubt und vermessen. Die Untersuchung liefert Informationen zu Geschlecht, Größe, Gewicht, Alter und Gesundheitszustand des Tieres. Die Forscher nehmen auch Proben für genetische Untersuchungen. Anschließend wird der Wolf wird mit einem Halsbandsender versehen. Nach ca. einer Stunde beginnt das Tier wieder aufzuwachen.

Alle mit einem Halsbandsender versehenen Wölfe bekommen eine wissenschaftliche Bezeichnung mit fortlaufender Nummer. Bei Wolfsfähen beginnt die Bezeichnung immer mit FT (F = female = weiblich und T = telemetry = Telemetrie) und bei Wolfsrüdenmit MT (M = male = männlich und T = telemetry = Telemetrie). Auch bekommen sie einen Namen, damit man die Tiere besonders in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit besser unterscheiden kann.

Bei der Radiotelemetrie unterscheidet man zwischen zwei Techniken: VHF- und GPS-GSM-bzw. Iridium-Sender. Der VHF-Sender (VHF = very high frequency = sehr hohe Frequenz) gibt ein gleichmäßiges Funksignal ab, welches mittels eines Empfängers und einer Richtantenne aus mehreren Kilometern Entfernung lokalisiert werden kann. Die modernen Halsbandsender besitzen in der Regel neben dem VHF-Sender auch einen GPS-GSM-oder einen Iridium-Sender, der den Aufenthaltsort des Tieres mittels Satelliten ortet und die Lokalisation per SMS (GPS-GSM) oder via Satellit (Iridium) an eine Bodenstation sendet. Bei dieser Technik entfällt der Aufwand zur Lokation des Signales mit einer Richtantenne im Gelände. Die weltumspannende Satelliten-Abdeckung ermöglicht eine uneingeschränkte Aufzeichnung der Wanderbewegungen, weshalb sich diese Technik zur Erforschung des Verhaltens von sehr mobilen Tierarten, wie dem Wolf, gut eignet.

Dadurch können Informationen zu Aktivitäts- und Ruhephasen des besenderten Tieres gewonnen werden. Bei territorialen Wölfen bekommt man Einblicke in die Größe, Lage sowie räumlich-zeitliche Nutzung des Wolfsterritoriums. Begibt sich ein besenderter Jungwolf auf Abwanderung, können Erkenntnisse über die Wahl der Wanderroute, bevorzugte Aufenthaltsorte, mögliche Barrieren und Gefahren für wandernde Wölfe, gewonnen werden.

Die Halsbandsender können frei programmiert werden, wie oft sie sich (also den Aufenthaltsort des Tieres) orten. Bei GPS-GSM-Sendern werden die Ortungsdaten (Lokationen) zunächst im Halsband gespeichert und dann als SMS über das GSM-Netz an die Bodenstation der Forscher geschickt. Sogenannte Iridium-Sender verschicken ihre Daten dagegen über einen Satelliten an die Bodenstation.

Anhand dieser Lokationen, die gesendet werden, können die Forscher auf einer Karte nachvollziehen, wo die Wölfe gewesen sind. Da die Batterie, die im Halsbandsender eingebaut ist, nur eine begrenzte Lebensdauer hat, werden die Sender in der Regel so programmiert, dass alle paar Stunden eine Lokation erfolgt. Außerdem werden mehrere Lokationen gesammelt und dann erst an die Bodenstation geschickt. Die gelieferten Daten liegen also immer mehrere Stunden zurück, sodass man nie weiß, wo sich die Wölfe aktuell aufhalten.

Liegen genügend Ortungsdaten vor, lassen sich die Lage und Größe der von den Wölfen genutzten Gebiete ermitteln. Verbindet man die äußeren Ortungsdaten, erhält man das sogenannte 100% Minimum Convex Polygon (MCP100). Eine Fläche die alle Ortungsdaten beinhaltet. Entfernt man von den Lokationen die 5 Prozent, die am stärksten von den anderen abweichen, ergibt sich das MCP95. Damit fallen beispielsweise wenige weitere Exkursionen eines Wolfes aus der Berechnung raus und die berechnete Fläche wird kleiner.

Wichtig ist, dass die Berechnung der Streifgebietsgröße und der Nutzung, egal mit welcher Methode, nur eine modelhafte Annäherung an das Raum-Zeit-Verhalten der Tiere ist und eine stark vereinfachte Abbildung der Wirklichkeit.  

Bei weiteren Ausflügen eines Wolfes können die einzelnen Lokationen mit einander verbunden werden. Wenn die Abstände zwischen den Lokationen gemessen und zusammenaddiert werden, bekommt man eine ungefähre Angabe welche Strecke das Tier in diesem Zeitraum zurückgelegt hat. Dies ist jedoch immer eine Minimum-Angabe, weil die einzelnen Lokationen im Abstand von mehreren Stunden genommen wurden. Das Tier muss also nicht die direkte Verbindungstrecke zwischen diesen Lokationen gelaufen sein.

Die Halsbandsender liefern etwa zwei Jahre lang Daten. Nach dieser Zeit ist der Akku meistens erschöpft bzw. besitzen die Halsbänder einen Drop Off Mechanismus, der das Halsband zwei Jahre nach Aktivierung desselben automatisch öffnet. Dieser Mechanismus dient zum einen dazu, dass der Wolf nicht länger mit einem nicht funktionierenden Halsband herumlaufen muss. Zum anderen speichert der Sender im Halsband zusätzliche Daten, an welche die Forscher nur kommen, wenn sie das Halsband wieder zurückbekommen und die Daten auslesen können.

Das abgefallene Halsband können die Forscher entweder über das letzte Ortungssignal finden oder über das VHF-Signal mittels Handantenne lokalisieren. Teilweise kam es auch schon vor, dass Bürger ein solches Halsband gefunden und abgegeben haben.

Abgeschlossene Besenderungsprojekte

Zwischen 2003 und 2013 wurden im Freistaat Sachsen bereits insgesamt 12 Wölfe mit einem Senderhalsband ausgestattet. Von diesen Wölfen wurden neun im Rahmen von Forschungsprojekten gefangen. Für weitergehende Informationen zu den Projekten klicken Sie bitte auf folgende Übersichten: 

Im Rahmen des Projektes »Wanderwolf« wurden 2012 und 2013 drei weitere Wölfe besendert. Das Projekt »Wanderwolf« wurde auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Sächsischen Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) und der Projektgruppe »Wanderwolf« bestehend aus der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW), dem Internationalen Tierschutz-Fonds gGmbH (IFAW), dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem World Wide Fund For Nature Deutschland (WWF) durchgeführt. Die Kooperationspartner beteiligten sich zu gleichen Teilen an diesem Projekt. Das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland wurde mit der Durchführung des Projektes beauftragt.

Bei den drei im Rahmen des Projektes mit Halsbandsendern ausgestatteten Wölfen handelte es sich um zwei erwachsene Fähen, die jeweils bereits ein Territorium besaßen (Niesky und Dauban), sowie eine junge Fähe aus dem Milkel Rudel, die im Laufe des Projektes abwanderte und ein eigenes Territorium gründete. Die Ergebnisse des Projektes sind in diesem Endbericht veröffentlicht:

„Untersuchungen zum Raum-Zeitverhalten und zur Abwanderung von Wölfen in Sachsen“ 

Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wurden 2009 und 2010 jeweils drei Wölfe im Rahmen einer mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten »Pilotstudie zur Abwanderung und zur Ausbreitung von Wölfen in Deutschland« mit GPS-GSM-Sendern ausgestattet. Das Pilotprojekt wurde im Sommer 2011 abgeschlossen.

Die Ergebnisse aus dieser Pilotstudie zeigen, dass Wölfe sich in Wald-, Heide- und Sukzessionsgebieten am sichersten fühlen. Menschliche Siedlungen, landwirtschaftliche Nutzflächen und Felder meiden sie und durchlaufen diese Gebiete meist nur in der Nacht. Trotzdem bieten die Ergebnisse der Pilotstudie erste Erkenntnisse zur Flexibilität der Wölfe in Bezug auf unterschiedliche Landschaften, sowie auf ihr Ausbreitungspotenzial in Deutschland.

Des Weiteren zeigt die Auswertung, dass Wölfe ihre Territorien in der hiesigen Kulturlandschaft ungleichmäßig nutzen. So haben sie innerhalb des Territoriums wenige bevorzugte Rückzugsgebiete in denen sie den Tag verbringen und auch ihre Welpen aufziehen. Viele Flächen in ihren Territorien durchqueren sie relativ zügig, ohne sich dort länger aufzuhalten. Dabei handelt es sich meist um Felder, landwirtschaftliche Flächen oder Siedlungsbereiche. Die durchschnittliche Territoriumsgröße der besenderten adulten Wölfe betrug 203 km2 (MCP95). Die Streifgebiete von jungen Wölfen können bzgl. Größe und Nutzung teilweise erheblich von denen adulter, territorialer Tiere abweichen.

Detaillierte Informationen zu der Studie finden Sie auf der Internetseite des BfN sowie in der Veröffentlichung »Abwanderungs- und Raumnutzungsverhalten von Wölfen (Canis lupus) in Deutschland – Ergebnisse einer ersten Telemetriestudie« von Ilka Reinhardt und Gesa Kluth in Natur und Landschaft – Zeitschrift für Naturschutz und Landschaftspflege Ausgabe 6/2016, Seite 262 – 271.

Im Winter 2003/2004 wurde die Neustädter Wölfin im Gebiet um Neustadt/Spree mit einem VHF-Halsbandsender ausgestattet. FT1 (»Sunny«) war der erste Wolf in Deutschland dem ein Halsbandsender angelegt wurde. Die Besenderung erfolgte im Zuge der Fangaktion ihrer Hybridwelpen (s. genetische Untersuchungen). Zwei Jahre lang lieferte sie Informationen über die Nutzung ihres Reviers, ihre Aktivität und Lebensweise.

Ende Dezember 2006 wurde unabsichtlich ein männlicher Wolfswelpe aus dem Nochten Rudel in einer großen Kastenfalle eines Jägers gefangen. Der Jäger meldete den Vorfall an das LUPUS Institut, welches den Wolf mit einem VHF-Halsbandsender ausstattete. Der Sender von MT1 (»Manfred«) lieferte jedoch nur knapp drei Monate Daten, dann brach der Kontakt ab. Ob der Welpe ums Leben kam oder abwanderte, ist ungewiss. Da abwandernde Wölfe sehr schnell, weite Strecken zurücklegen können, ist es fast unmöglich, diese mittels VHF zu verfolgen.Nach dem Abbruch des Funkkontaktes gab es keine weiteren Nachweise (Genetik, Fotos) von MT1.

Anfang des Jahres 2012 wurde ein Wolf als Ergebnis einer Managementmaßnahme mit einem Halsbandsender ausgestattet. Der Welpe aus dem Nochten Rudel wurde am 04. Dezember 2011 bei einem Verkehrsunfall verletzt und war anschließend eingefangen worden. Nach der Behandlung eines Schien- und Wadenbeinbruches kam der junge Wolf in die Quarantänestation im Naturschutz-Tierpark Görlitz e.V. Anfang Januar 2012 wurde er im Territorium seiner Eltern wieder in die Freiheit entlassen. Er erhielt die Bezeichnung MT5 (»Timo«). Mehr Informationen zu MT5 finden Sie im Abschlussbericht des Projektes »Wanderwolf«.

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